Ich bin wirklich kein Jazz Kenner. Meine musikalischen Wurzeln sind eher in der Rock Musik zu finden. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht für Jazz interessiere. Seit geraumer Zeit habe ich ein Faible für die „Jazz-Ladies“. Im skandinavischen Sprachraum sind da ja wohl einige gute Jazz Musiker zu finden. Silje Nergaard, Rebekka Bakken und das Esbjörn Svensson Trio oder Nils Landgren. Aber besonders gerne höre ich Diana Krall, neuerdings verheiratet mit Elvis Costello. Das sind so meine Bezugspunkte zum Jazz.
Ich habe mir auch mal zwei Doppelalben „schwarzer Musik“ zugelegt. „Back to Blues – Zurück zu den Wurzeln echter Musik“. Aber das ist ja nun mal Blues, mit dem Jazz verwandt aber eben kein echter Jazz. Mein Schwager ist ein Jazz Fan. Der steht auf Charlie Parker, Miles Davis, Count Basie, Chet Baker, Dizzy Gillespie, Louis Armstrong, Billie Holiday und Ella Fitzgerald, um nur ein paar zu nennen.
Seit gestern bin ich aber eine Erfahrung reicher. Ich habe während ich wieder einmal eine Folge (30. Explosion in der Mine) einer von mir des öfteren angeführten Serie (welch ein Zufall..) verfolgte, einer alten Jazz Platte lauschen dürfen. Die Musik hat mich echt vom Stuhl gehauen.
In der oben genannten Folge bekommt ein älterer Mann, passionierter Jazz-Pianist, Besuch von einem 16jährigen. Der 16jährige hat ihm mit dem Wagen seines Vaters eine Schramme ans Auto gefahren und will seine Schulden abarbeiten, damit sein Vater nichts von der Angelegenheit erfährt. Der ältere Mann führt den Jungen in ein Zimmer, welches mehr einem Jazz- Museum gleicht und bittet ihn dort, weil er nicht mit dem Medium Internet vertraut ist, bei Ebay mehrere alte Schallplatten für ihn zu erwerben. Damit wäre die Angelegenheit dann erledigt. Der Junge willigt ein und der ältere Mann legt eine Cassette ein. Beide lauschen andächtig. Der 16jährige ist selbst ein talentierter Klavierspieler. Er äußert bewundernt: „Die spielen aber gut“. Woraufhin er die Antwort erhält: „Das ist aber nur einer“.
Das Geheimniss wird gelüftet. Der Pianist, um den es geht, heißt Art Tatum. Die gesuchten Langspielplatten sind „The Pablo Solo Masterpieces“
Arthur „Art“ Tatum. Geboren am 13. Oktober 1909 in Toledo, Ohio ist wohl einer der bedeutendsten Klaviervirtuosen des Jazz.
In Toledo, Ohio, verbrachte er seine Jugend und lernte das Klavierspielen. Von Geburt an litt er an Grauem Star und war auf einem Auge blind. Das andere Auge hatte nur stark eingeschränkte Sehkraft. Kompensiert wurde dies mit einem absoluten Gehör und er soll außerdem ein außergewöhnliches akustisches Erinnerungsvermögen gehabt haben. Aus einer musikalischen Familie kommend bekam der Autodidakt eine formale Ausbildung an einer Musikschule.
In jungen Jahren spielte er in Clubs und für eine lokale Radiostation. Beeinflusst wurde er dabei u.a. von Fats Waller und James P. Johnson.
1932 hörte ihn die Sängerin Adelaide Hall. Diese bot ihm an, sie auf ihren Tourneen zu begleiten. So kam er dann im gleichen Jahr noch nach New York und nahm dort im darauf folgenden Jahr seine erste Schallplatte auf. In den nächsten Jahren verdingte er sich als Pianist in Nachtclubs von Cleveland und Chicago. 1937 kehrte er dann nach New York zurück.
Er etablierte er sich zu einer der wichtigen Figuren des Jazz. Er beeindruckte bei zahlreichen Jazzpianiasten Wettbewerben durch halsbrecherische Geschwindigkeit. Er soll aber seinen Kontrahenden stets gestattet haben, vor ihm zu spielen, denn kaum einer wollte sich nach ihm spielend blamieren.
1940 gründete er mit dem Bassisten Slam Steward und dem Schlagzeuger, Pianisten und Gitarristen Tiny Grimes ein Trio. In der großen Öffentlichkeit erwarb Tatum sich aber nie allzu große Aufmerksamkeit, da er eine Abneigung gegen größere Konzerte hatte.
Heute kennt man von Tatum´s Musik hauptsächlich seine eigenwilligen Interpretationen von bekannten Klassikern des Jazz; mit schnellen Läufen und überraschenden Wendungen. Im Gegensatz zu vielen anderen Klaviervirtuosen hat Tatum nie die Musik dem Effekt geopfert. „Er spielte für sich und nicht für das Publikum“
Bedeutende Jazzpianisten wie Duke Ellington, Thelonious Monk und Bud Powell wurden von ihm beeinflusst. Charlie Parker soll sich als Jugendlicher in einem New Yorker Restaurant als Tellerwäscher beworben haben, nur um Art Tatum, der dort regelmäßig spielte, hören zu können.
Oscar Peterson soll, als er Tatum zum ersten Mal spielen hörte, geglaubt haben, dass da zwei Personen spielen. Peterson bezeichnete Art Tatum als den größten Jazzinstrumentalisten aller Zeiten. Es geistert auch die Legende herum, dass Wladimir Horowitz von Tatums Spiel zu Tränen gerührt gewesen sein soll. Auch der Musiker, der Tatum vielleicht am meisten geprägt und inspiriert hat, Fats Waller, war begeistert von Tatum: Eines Abends spielte Waller in einem Nachtclub in dem auch Tatum zu Gast war. Waller sagte zur Einführung:
I just play the piano, but God is in the house tonight.
Art Tatum starb am 5. November 1956 in Los Angeles, auf dem Höhepunkt seines Schaffens, an den Folgen einer Niereninsuffizienz.
Ich war beeindruckt. Als die Folge der Serie zu Ende war, habe ich die Cassette noch einmal zurückgespult, um mir die Passagen ein weiteres Mal anzuhören.
Heute morgen habe ich mir dann mal etwas Musik von Art Tatum aus dem Netz geladen. Und es ist wirklich so, als ob da mehrere Leute am Werk wären.
1955 wurden über 100 Jazzpianisten nach ihrem wichtigsten Einfluß befragt. Die Antwort bei fast 70% lautete: „God is in the House – Art Tatum“. Tatum hat keine eigentliche Schule begründet, was vermutlich an der unnachahmlichen Art seines Spieles liegt. Anders als diejenigen, die nur mit der rechten Hand für Virtuosität sorgen, hatte Tatum in beiden Händen eine gleich brillante Technik.